Sound Studies Lecture am 23. November 2009
In den 1950er Jahren etablierte sich die E-Gitarre als dominantes Instrument der Rock- und Popmusik. Henry Westphal untersucht das historische Phänomen, indem er nach der Wechselwirkung zwischen der Technik des Gitarrenverstärkers und der musikalischen Entwicklung fragt.
Der Gitarrenverstärker scheint auf den ersten Blick ein simples technisches Gerät zu sein, daß aus wenigen, mit einem Blick erfassbaren Bauelementen besteht. Tatsächlich sind jedoch die das Klangbild der Gitarre prägenden Vorgänge in seinem Inneren äußerst komplex und bis heute nicht vollständig verstanden.
Manche Ausführung von Schaltungsteilen in einem Gitarrenverstärker erscheint dem unvoreingenommenen Betrachter mit technischem Hintergrund zunächst seltsam bis kontraproduktiv oder gar unsinnig. Bei eingehender Untersuchung zeigt sich dann aber, daß genau diese “Fehler“ oder “Unzulänglichkeiten“ die Zutaten in das Klangbild einbringen, die das Ohr des Zuhörers besonders erfreuen. Wenn man die Schaltung nämlich “verbessert“, dann führt dies meist zu einem banaleren, langweiligeren Klangbild.
Dies ist aber keineswegs einer bewußten Vorgehensweise der frühen Entwickler von Gitarrenverstärkern zuzuschreiben, denn die bis heute dominierende Schaltungsart von Gitarrenverstärkern ist nämlich für einen ganz anderen Zweck entwickelt worden und eher zufällig von Gitarristen entdeckt worden.
Man kann den Gitarrenverstärker nur dann verstehen, wenn man die Wechselwirkung zwischen technischer und musikalischer Entwicklung in der Zeit des Vordringens der E-Gitarre zum Leitinstrument der Rock- und Popmusik in den 1950er Jahren betrachtet. Die damaligen Gitarristen haben die Limitationen der frühen Gitarrenverstärker bewußt als Stilmittel eingesetzt. Das Qualitätskriterium für “guten Sound“ ist meist der Rückbezug auf die vorherige Musikergeneration, das Zuhören oder Spielen soll wieder das Gefühl auslösen, das man im Teenager-Alter hatte, als man die Faszination der Gitarrenklänge das erste Mal für sich selbst entdeckte.
Dieser Vortrag geht auf die technischen Grundlagen von Gitarrenverstärkern ein und beleuchtet die Wechselwirkung zwischen technischer und musikalischer Entwicklung bezüglich der E-Gitarre in den 1950er Jahren mit einigen prägnanten Hörbeispielen aus dieser Zeit. Als Zuhörer/in haben Sie nach dem Vortrag die Möglichkeit, selbst über einen originalgetreuen Nachbau des legendären “Fender Bassman 5F6A“ zu spielen und die beeindruckenden klanglichen Möglichkeiten dieses Urahns der allermeisten heutigen Gitarrenverstärker zu erleben. Es wäre schön, wenn jemand aus dem Kreis der Zuhörer/innen hierzu eine gute E-Gitarre mitbringen könnte.