Sound Studies Lecture am 3. Juni 2013
Nach Persepolis gelang Reinhold Friedl nun auch für die zweite großformatige elektroakustische Komposition von Iannis Xenakis La Légende d’Eer der Nachweis, dass neuere CD-Veröffentlichungen mit falschen Sampleraten veröffentlicht wurden. In kriminologischer Feinarbeit wurde der gesamte Entstehungs- und Digitalisierungsprozess rekonstruiert,um schließlich entscheiden zu können, was eine Version ist, und was ein Fehler. Genau diese Frage aber, was ein Fehler ist, führte 300 v.Chr. zur Entstehung der Philologie.La Légende d’Eer kann auch mehreren Gründen als Prototyp für die kritische Edition elektroakustischer Musik dienen: die Archivmaterialien sind reichhaltig: es existiert eine Partitur, es existieren Verträge, das Werk wurde gleichzeitig an mehreren Orten aufgeführt, und beim WDR Köln, in dessen Studio für elektronische Musik das Stück entstand, sind zahlreiche Produktions- und Materialbänder erhalten. So kann die komplexe Entstehungsgeschichte präzise nachgezeichnet werden. Zudem zeigt sich, dass eine kritische Edition nicht nur Fehler vermeiden hilft, sondern auch neue Rückschlüsse auf Werkbegriff und Kompositionstechniken erlaubt. Angesicht des riesigen Umfangs zu archivierender elektroakustischer Musik, deren Digitalisierung etc.. ist diese Diskussion von grosser Aktualität.
Reinhold Friedl studierte Komposition und Mathematik in Stuttgart und Berlin. Kompositionsstipendien in Paris, Rom, Marseille, Amsterdam. Konzerte in Europa, Nordamerika, Australien und Japan. Zahlreiche CDs und Rundfunkaufnahmen, als auch Artikel und Radiosendungen (u.a. lettre international, WDR Köln, Leonardo Music Journal MIT press, etc). Reinhold Friedl ist Gründer und Leiter des international renommierten Ensembles zeitkratzer. Kompositionsaufträge u.a. von der Stadt Berlin, Wien Modern, BBC London, Berliner Festspiele, ZKM Karlsruhe, dem Französischen Staat. Interdisziplinäre Zusammenarbeiten u.a. mit Sasha Waltz, Frank Castorf, diverse Artikel zu Iannis Xenakis elektroakustischer Musik, Vorträge hierzu u.a. an der Université VIII Paris.